Beziehungswaisen statt Beziehungsweisen?

Der unerfüllte Kinderwunsch kann Paare eng miteinander verbinden.

 

Er kann jedoch auch, insbesondere wenn er bereits lange andauert, Paare auch so stark belasten, dass die Beziehung letztendlich daran zerbricht.


Manchmal geschieht dies sehr schnell, noch während die Behandlungen laufen. Aber viel häufiger wird erst nach einigen Jahren deutlich, dass die Beziehung so nicht mehr weiterbestehen kann und der Punkt, an dem sie gescheitert ist, eigentlich schon lange zurückliegt.


Ich finde das immer sehr dramatisch, dass ein Wunsch, der zunächst Menschen so sehr beschäftigt, sie verbindet und zunächst zusammenschweißt, auf Dauer zu einer solchen Überbelastung führt, dass die Beziehung all die Probleme nicht mehr auffangen kann.



Routine

Besonders wenn Paare bereits seit längerer Zeit in der Kinderwunschbehandlung sind, schleicht sich neben all der Anspannung und Hoffnung auch eine gewisse Routine ein.

Zunächst im Sexleben, das immer weniger von Lust und immer mehr vom Eisprung bestimmt wird. 

Dann bei den ersten Ultraschalluntersuchungen. Zunächst sind die Paare fast immer zu zweit da, aber bei der 6., 7., 8. sind nur noch die wenigsten zusammen im Raum. 


Ebenso sind die Frauen bei mehreren IUI-Behandlungen häufig alleine in der Klinik.


Und während man sich beim ersten Mal noch freigenommen hat und den Tag in aller Ruhe verbracht hat, wird eine wiederholte IUI schnell vor der Arbeit oder in der Pause durchgeführt, was durch die gelockerten Homeoffice-Regelungen inzwischen auch deutlich einfacher geworden ist.


Ich will das gar nicht verteufeln, es gibt sehr gute Gründe dafür!


Die Urlaubstage reichen dafür nicht aus, sodass man die Untersuchungen in die Pause oder vor Arbeitsbeginn legen muss, man möchte nicht, dass der Arbeitgeber von den Behandlungen erfährt, man hat schon ein Kind, das betreut werden muss…. die Gründe sind vielfältig und völlig nachvollziehbar! 



Die stillen Konflikte

Während die neuen Erfahrungen zu Beginn ein Paar noch eng miteinander verbunden und für viel Gesprächsstoff haben, erlebt nun jeder Partner den Verlauf unterschiedlich.

Während sich Frauen oft noch stärker belastet fühlen, sind Männer häufig immer weniger am Prozess beteiligt.

Dies ist oft der Punkt, an dem die ersten Konflikte auftreten, jedoch nicht angesprochen werden.


Zum einen, um die ohnehin schwere Situation nicht noch weiter zu belasten, und zum anderen, weil sich häufig im Laufe des Kinderwunschs die Prioritäten und Zielvorstellungen verschieben.


Der Alltag rückt mehr in den Fokus, berufliche Projekte können nicht endlos aufgeschoben werden, die verbleibenden Urlaubstage nehmen ab und werden nicht mehr unbedingt für Arztbesuche genutzt.


Spätestens hier sollten Paare aufmerksam sein, da hier oft ein leiser Prozess des Auseinanderlebens beginnt, der erst im Nachhinein klar als solcher erkannt wird.



Der Anfang vom Ende?

Statistiken spielen eine große Rolle im Kinderwunsch. Wann wird man am schnellsten schwanger, in welchem Alter, mit welcher Behandlung, wie hoch sind die Erfolgsquoten der einzelnen Kliniken usw.


Aber ob viele wissen, wie enorm hoch die Trennungsraten der nicht erfolgreichen Paare sind?


Ein Kinderwunsch kann verbinden.

Was man zusammen erlebt, die Höhen und Tiefen, durch die man geht, das alles kann dieses Gefühl von „wir gegen den Rest der Welt“ hervorrufen. Aber wenn es nicht klappt, dann kann das die Beziehung auch enorm belasten.

 

 

Was tun?


Wenn sich einer von euch mehr Austausch wünscht, dann sprecht es an!

Genauso, wenn einer sagt, ich möchte dieses Thema jetzt aussparen, gerade belastet es mich zu sehr.

Sucht gemeinsam nach Lösungen, zum Beispiel Zeiten, in denen das Kinderwunschthema tabu ist und Zeiten, zu denen ihr gezielt darüber sprecht.


Vergesst euch selbst nicht über dem Kinderwunsch!

Es muss nicht immer der große Urlaub sein, auch im Alltag könnte ihr euch als Paar etwas Gutes tun! Was macht euch Spaß? Was verbindet euch?


Nehmt euch weiterhin als Paar wahr und nehmt auch vor allem ernst.

Auch wenn die ersehnte Schwangerschaft sich einstellt: Kein Kind kann eine zerrüttete Beziehung wieder kitten. Und nichts ist schlimmer als zurückzuschauen und sich zu wünschen, man hätte damals anders gehandelt

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Deshalb meine drei Wünsche an alle Kinderwunschpaare:


  • tut etwas für euch als Paar
  • vergosst euch auch als Individuum mit eigenen Bedürfnissen nicht und 
  • redet miteinander, wenn euch etwas belastet



Seid es euch wert, diese Zeit und Energie in euch zu investieren, denn ihr seid wichtig!