Die Sache mit dem Geschwister..

oder die „Sekundäre Infertilität“

Bei „ungewollt kinderlos“ denkt nahezu jeder an ein heterosexuelles Paar, mittleren Alters, ohne Kind.

 

Aber abgesehen davon, dass der Kinderwunsch glücklicherweise genauso bunt ist wie unsere Gesellschaft, gibt es auch Paare, Alleinstehende usw., die bereits ein Kind haben und sich ein weiteres Kind wünschen. Und dieser Wunsch sich einfach nicht erfüllen will.

 

Was nahezu allen gemeinsam ist: Das mangelnde Einfühlungsvermögen der familiären oder freundschaftlichen Umgebung, die den Kinderwunsch zwar versteht, aber nicht in Gänze nachvollziehen kann.

„Seid froh, ihr habt wenigstens eins“, „eins ist besser als keins“ und mein absoluter Lieblingssatz: „das spart euch eine Menge Geld“. Ernsthaft?!

 

Mal ganz abgesehen davon, dass eine Kinderwunschbehandlung Unsummen verschlingt und die Betroffenen zusätzlich immens belastet, soll das tatsächlich ein Trost sein?

 

Viele Betroffenen versuchen sich auch selbst immer wieder zu sagen, ok, wir haben zumindest ein Kind, wir sollten einfach dankbar sein.“

Das Problem: Hier ist nur der Kopf im Spiel. Das Herz sagt etwas völlig anderes, nämlich, „wir sind noch nicht komplett, hier fehlt jemand.“

 

Und das hat nichts mit Undankbarkeit zu tun oder gar mit mangelnder Liebe für das erste Kind. Es ist schlichtweg ein unerfüllter Kinderwunsch. Auch beim zweiten Mal.

 

Vielleicht ist es ein kleines bisschen so, wie einem Menschen, der ein Bein verloren hat zu sagen, hey freu dich, du hast zumindest noch eins!

Stimmt, tröstet aber gerade nicht.

Dieses „fehlen“, die Sehnsucht nach einem weiteren Kind, kann ganz viele Gründe haben.

 

Der Wunsch nach einer „typischen“ Familie mit zwei Kindern, ein Junge, ein Mädchen.

Die tief verwurzelte Vorstellung, dass aus Einzelkindern schwierige Menschen heranwachsen, obwohl das längst widerlegt ist.

Vielleicht waren es in der Vorstellung auch einfach schon immer mehrere Kinder, vielleicht möchte man ein weiteres Kind in einer neuen Beziehung, es gibt viele Gründe dafür.

 

Schwierig ist es auch, zuzusehen, wie das geliebte Kind größer und größer wird und zu wissen, ich erlebe das nur ein Mal.

Das erste Lächeln, die ersten Schritte, das erste Fahrrad. Es wird immer dabei bleiben.

 

Der zweite Kinderwunsch belastet also genauso wie der erste, nur suggeriert das Umfeld nun so stark gegenteilige Meinungen, dass es für die Betroffenen sogar noch schwieriger ist über ihre Belastung und Trauer zu sprechen, als für Betroffene ohne Kind, was schon ziemlich paradox ist.

 

Denn wer sind wir zu entscheiden, wann eine Person, ein Paar, eine Familie sich komplett fühlen darf? Wann ein Wunsch berechtigt ist und wann nicht?

Auch das ist so individuell wie wir selbst.

 

Jedes Paar verdient es, in seinem Wunsch Familie zu sein, egal wie groß diese ist, ernst genommen zu werden.

Und das Umfeld kann dazu beitragen, diesen Menschen das Leben mit ihrem Verständnis ein kleines bisschen leichter zu machen.