Surrender to Fertility:

Was Kontrolle mit Fruchtbarkeit und Schwangerschaft zu tun hat

Erinnerst du dich noch an deine Zeit als Teenager? Wir bekamen ja alle durch Schule, Eltern und Medien eingetrichtert, dass quasi „jeder Schuss ein Treffer“ ist. Also verhütet man, gerät in Panik, wenn die Periode ausbleibt, das Kondom gerissen ist oder die Pille mit einem Magen-Darm-Virus ausgeknockt wurde.   Man hofft und zittert, dass bitte bloß nichts passiert ist!

Und dann kommt irgendwann der Punkt, an dem man tatsächlich ein Baby möchte. Solange hat man alles dafür getan, dass es nicht passiert, aber jetzt kann und soll es losgehen. Frohgemut wirft man das ganze Zeug weg und denkt, JETZT! Juhu, wir werden eine Familie!

Man wartet und wartet und es passiert: nichts. Monat für Monat.

Die Kontrolle, die man so glücklich über Bord geworfen hat, schleicht sich im Kinderwunsch durch die Hintertür wieder rein. Man fängt an den Zyklus zu tracken, die Ernährung umzustellen, liest Artikel über Steigerung zur Fruchtbarkeit und hat Sex nach einem Zeitplan. Die Stimmung, die in den ersten Monaten noch voller Glückshormone war, bekommt den ersten Knick. Von da an geht’s meistens steil aufwärts mit den anstehenden Untersuchungen und steil abwärts mit der Stimmung.

Die Kontrolle spielt ab dem Moment, in dem man in die Sexualität einsteigt, eine Riesenrolle. Verhütung ist nichts anderes, als ein Monitoring, um eine unerwünschte Schwangerschaft und sexuell übertragbare Krankheiten zu vermeiden. Viele Jahre haben wir diese Kontrolle im Hinterkopf gehabt und jetzt kommt plötzlich der Punkt, an dem der Kinderwunsch in anderen Händen liegt. Das ist auch deshalb so schwer, weil diese Überzeugung, dass man ja jederzeit ein Kind haben könnte, so tief in uns verwurzelt ist.  

Jetzt hat jemand anders die Kontrolle. Und egal, wie klasse die Ärzte und Ärztinnen in den Kinderwunschpraxen und -kliniken auch sind, es ist schwer, diese Steuerung von jetzt auf gleich komplett abzugeben. Diese Machtlosigkeit, die man empfindet, ist für Paare enorm belastend. Das Selbstwertgefühl leidet und die Hilflosigkeit wechselt sich ab mit der Zuversicht in die Medizin und der Hoffnung auf ein Kind.  

In dieser Zeit gibt es ganz viel, was Paare tun können, um wieder ins Lot zu kommen.

Vieles ist individuell, aber einige ganz allgemeine und leicht umzusetzende Tipps sind:

  • Verabredet einen festen Tag in der Woche, an dem ihr nicht über den Kinderwunsch sprecht. Dieser Tag gehört nur euch als Paar. Zelebriert ihn mit einem schönen Essen, Kino, einer Massage, was auch immer euch guttut.
  • Nehmt euch Auszeiten, in denen jeder für sich zur Ruhe kommen kann. Sport, Freude treffen, shoppen gehen….
  • Macht eine gemeinsame Bucket List: Adrenalinkicks, die ihr schon immer mal versuchen wolltet? Oder packt euch dabei das Reisefieber?  
  • Erzählt euch eure größten Ängste. Nichts ist schlimmer, als sich in dieser Zeit alleine zu fühlen.
  • Schreibt euch gegenseitig einen Brief oder macht eine Liste mit den Eigenschaften, die ihr an eurem Partner/eurer Partnerin so schätzt. Das ist nicht nur für das Gegenüber schön zu hören. Oftmals geht in der Kinderwunschzeit unter, wie viele tolle Eigenschaften, der Mensch, mit dem man sein Leben teilt, eigentlich hat. Sie aufzuschreiben heißt auch, sich selbst darüber noch einmal klarzuwerden. Und oft fallen einem Dinge ein, von denen der /die andere gar nicht dachte, dass es so bedeutsam ist.

Was das jetzt mit Kontrolle zu tun hat?

Um in der Kinderwunschzeit nicht unterzugehen, braucht es viel Belastbarkeit und Zuversicht. . Alles, was die Beziehung stärkt, stärkt auch euer Selbstwertgefühl und eure Selbstwirksamkeit, es hilft, den Kontrollverlust besser zu bewältigen. Ihr fühlt euch weniger hilflos und der Situation ausgeliefert und resilienter. Dadurch ist ein ganz anderes agieren im Kinderwunsch möglich. Ihr seid freier und stabiler, auch in den Gesprächen mit den Ärzten oder im Umgang mit dem Umfeld.

Überhaupt, der Umgang mit dem Umfeld.… 

Aber das wird wohl besser ein neuer Blogeintrag 😉